MUSEUMSDORF VOLKSDORF 
  erleben, gestalten, erhalten 

Wolf Schneider – der Holz-Philosoph

Wolf Schneider ist immer da. In seiner Tischlerei brennt noch am späten Herbstabend Licht. 

Acht Stunden am Tag sind für den Meiendorfer keine Seltenheit. Er denkt und arbeitet in ganz anderen Kategorien, als die meisten Ehrenamtlichen im Museumsdorf. 

Er denkt und arbeitet in Holz, er lebt mit Holz und sieht innere Bilder vor seinem Auge auftauchen, bei denen sich alte Holzdinge in neue Wunderwerke aus Holz verwandeln. 
Es braucht seine Zeit, bis die Konturen dieser inneren Bilder vor seinem – Achtung, eine humorvolle Übertreibung! – „Holzauge“ -auftauchen. 
Doch dann hat Wolf Schneider, 74 Jahre alt und seit 2016 für das Museumsdorf aktiv, einen Plan, den er und sein mehr als zehnköpfiges Team von Ehrenamtlichen in der Tischlerei Schnitt für Schnitt, Schritt für Schritt in die Tat umsetzen.

So erschaffen sie aus vier Jugendstil-Stühlen, bei denen die Vorderbeine fehlen, je eine Zwei-Sitzer-Bank. 
Wolf Schneider holt eine von ihnen gerade für die Fotos auf dieser Website aus dem historischen Schafstall und setzt sich drauf. 

Im Spiekerhaus nimmt er ebenfalls Platz auf einem anderen Möbelstück, das er „Volksdorfer Kippelstuhl“ nennt. 
Wenn mit den Kufen gekippelt werde, tue das dem Stuhl nicht weh, sagt er. 
Geschaffen wurde das Exemplar aus einem englischen Kapitänsstuhl mit kaputten Beinen.

Diese Verwandlung von alten, fast unbrauchbaren Dingen mit Handicap zu wieder brauchbarem, nützlichem Gut ist für ihn Programm.  


 

„Ich möchte aus Dingen, die man nicht mehr braucht, Neues machen. Das ist mein Beitrag zur Nachhaltigkeit.“
So entsteht aus einem 100 Jahre alten Bett, das im Müll landen sollte, eine Bank.  Ein halbes Jahr habe er diesen Plan „ausgebrütet“.

Wer mit Wolf Schneider, der seine private Tischlerei vor einiger Zeit großzügig verschenkt hat, ins Gespräch kommt, fühlt sich binnen kurzer Zeit geerdet. 
Und kommt schlauer aus dem Gespräch heraus. 

Die europäischen Laubhölzer, sagt er, haben vom Wachsen bis zur Ernte eine Umtriebszeit von 160 bis 180 Jahren. Bei einem 100 Jahre alten Eichenbett müsste man also 80 Jahre lang warten, bis man sich ein neues zulegt. 
Grund genug, achtsam mit den Dingen aus Eiche, Kiefer und Esche umzugehen. 


Schneider doziert nicht, wenn er mit den Besucherinnen und Besuchern des Museumsdorfes spricht. 
Er informiert mit der Überzeugungskraft seiner Argumente, bei denen seine eigene Person in den Hintergrund tritt.

„Ich“, sagt er, „bin ein winziger Teil der Natur. Aus der Seele heraus will ich meinen Beitrag leisten, sie zu erhalten.“

Wolf Schneider ist der Holz-Philosoph des Museumsdorfes. Er liebt das Nachdenken und das Spiel mit der Sprache. Er stellt die nachwachsenden Rohstoffe in universale, aber auch existenzielle Zusammenhänge.
Über sich sagt er deshalb: „Ich bin Holz, ich habe auch Wurzeln.“ Oder das: „Meine formale Intelligenz war für einen akademischen Titel locker geeignet. Aber im Herzen bin und bleibe ich Handwerker.“

Als Jugendlicher baute er sich einen Piraten und segelte damit auf der Stör, der Elbe und Ostsee.

Später studierte er in Karlsruhe und wurde Wirtschafts-Ingenieur. Jahrelang hatte er eine eigene Firma für mechanische Aufbereitungstechnik von Heilkräutern, Drogenpflanzen und Gewürzen. Seine Liebe zum Holz kann er heute täglich im Museumsdorf befeuern. „In der Tischlerei kümmern wir uns um alles, was mit Holz zu tun hat“, sagt der Mann, der Dinge aus Eisen nur ungern anfasst.
Auf die Frage, ob er die Tischlerei leite, antwortet er: „Ich bin Gleicher unter Gleichen.“ Aber mit seinem Wissen ist er natürlich maßgebend, gerade dann, wenn sein Team fragt: „Wolf, wo soll der erste Schnitt liegen?“


Als er 2016 im Museumsdorf in der Tischlerei anfing, sollte es ein drei Monate langer Mini-Job werden. 
Daraus geworden sind nun fast zehn Jahre – Sinn stiftend für ihn, der jeden Tag mit Holz verbringt. 

Und ein Gewinn für das ganze Museumsdorf.

Edgar S. Hasse



 
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